10.10.25
Interview mit Wolfgang Riehle

»Die IBA’27 Friends sind die Animateure, die Vermittler«

Der Vorsitzende des IBA’27 Friends e.V. und ehemalige Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, Wolfgang Riehle, hat in der aktuellen Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg unter anderem über die Bedeutung des Vereins und seine Rolle innerhalb der IBA’27 gesprochen.

Staatsanzeiger: Herr Riehle, Sie sind Vorsitzender der IBA’27 Friends. War der Verein Ihre Idee?

Wolfgang Riehle: Nein, die IBA GmbH hatte realisiert, dass das Gedankengut, das den Geist der IBA ausmacht, nämlich die innovativen Ansätze für Wohnen, Arbeiten, Leben und Freizeitgestaltung, die Verdichtung, die Nachhaltigkeit, Klimaanpassung und vieles mehr, in der Gesellschaft erklärungsbedürftig sind. Man wollte die Bevölkerung stärker mitnehmen. Deshalb kam die damalige Geschäftsführerin Karin Lang auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich den Vorsitz des neu gegründeten Vereins übernehmen würde.

Wie viele Mitglieder haben Sie bislang?

Es gibt aktuell 265 Friends. Das sind überwiegend Einzelpersonen und auch zahlreiche Firmenmitgliedschaften, aber leider nur ganz wenige Kommunen, was auch auf die Sparrunden zurückzuführen ist, die Städte und Gemeinden gerade drehen. Und wir haben erstaunlich wenig Studierende, obwohl gerade die junge Generation im Fokus unserer inhaltlichen Vermittlung steht.

Wie ist denn der Stand der Dinge?

Konkret werden bis Abschluss der IBA’27 35 Projekte ganz oder überwiegend fertig. Viele weitere Projekte sind aber noch sogenannte Netzvorhaben. Das Parkhaus in Wendlingen und das Bürohaus ZERO in Stuttgart-Möhringen – beide in Holzbauweise erstellt – sind bereits fertig.

Nimmt die Öffentlichkeit von den Projekten Notiz?

Die IBA wird mit zunehmendem Baufortschritt der Projekte immer deutlicher wahrgenommen. Jüngst hatten wir im ZERO Ministerpräsident Kretschmann, Ministerin Razavi und OB Nopper zu Gast. Dass die Organisation dieser IBA sehr viel Geld kostet, ist leider noch nicht so in den Köpfen. Wir müssen Geld einwerben, weil die IBA auf Kante finanziert ist. Für uns ist es unverständlich, dass Stadt und Land nicht wirklich zu begreifen scheinen, was für eine unglaubliche Chance diese internationale Bauausstellung bietet.

Wie finanzieren sich die Friends?

Durch Mitgliedsbeiträge, aber wir er-halten dankenswerterweise auch groß-zügige Förderungen von Stiftungen. So finanzieren wir das Format des Erklärens und Unterhaltens. Wir sind sozusagen die Animateure. 2023 und 2025 haben wir zwei Festivals organisiert, zuletzt mit über 100 Veranstaltungen. Und das große Finale in 2027 steckt schon in konkreten Vorbereitungen.

Wie sieht es mit den Baustellenführungen aus, die Sie durchführen?

Unsere monatlichen Baustellenführungen stoßen auf unglaublich viel Interesse, wobei die meisten, die sich anmelden, leider noch keine Friends sind. Deshalb haben wir jetzt beschlossen, dass Nicht-Mitglieder einen kleinen Beitrag bezahlen müssen. Die Mitgliedschaft muss ja auch einen Mehrwert haben.

Fehlt der IBA‘27 nicht ein klares Konzept?

Keineswegs, aber sie ist in einem problematischen Zeitraum geraten. Zuerst kam Corona, dann kamen die Kriege, die uns leider nach wie vor begleiten mit allen Themen der Lieferket-tenproblematik, der Preissteigerungen, der Verzögerungen, die da entstanden sind. Die komplette Bauwirtschaft ist ja wie gelähmt. Bei der IBA haben wir viele Investoren, die mit ihren Projek-ten schon viel weiter sein wollten, oder ihr Engagement zwischenzeitlich sogar komplett gecancelt haben. Auch die Zollpolitik von Trump spielt eine Rolle – und die allgemeine Verunsicherung. Der IBA bläst der Wind quasi ins Ge-sicht.

Wie geht es dann der Architektenschaft generell?

Der geht es deshalb auch eher schlecht, weil eben viele Projekte in der Schublade anstatt auf der Baustelle landen und die Investitionsbereitschaft vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nach wie vor gering ist.

S21 schlummerte auch recht lange in der Schublade…

S21 ist kein IBA-Projekt, aber die Zeit und die Kosten sind gerade hier davon-gelaufen. Und ja, das sind eben 30 Jahre Baugeschichte. Der Architekt Christoph Ingenhoven war 35 Jahre alt, als er den Wettbewerb für S21 gewonnen hat, jetzt ist er 65. Das ist ein Lebenswerk im wahrsten Wortsinn. S21 spielt für die IBA allerdings eine große Rolle, da der Bahnhof im Dezember 2026 ans Netz geht. Dann ist das der Ankunftsort für viele internationale Besucher. Ich bin sicher, dass S21 für Stuttgart ein grandioser Magnet sein wird.

Zurück zur Situation der Architekten. Die Landesbauordnung wurde vereinfacht…

Das ist ein höchst erfreuliches Zeichen. Aber wie alles hat auch das eine gewisse Hysterese. In dem Moment, wo eine neue LBO erlassen wird, heißt das nicht, dass sie am nächsten Tag gelebt wird. Die Kolleginnen und Kollegen auf den Ämtern und in den Büros müssen erst einmal das Instrumentarium dazu haben, das hat auch viel mit der Digitalisierung zu tun. Aber die Politik hat begriffen, in welche Richtung sie gehen muss. Wir haben ja auch einen ganz prominenten Trend zum Gebäudetyp E.

Was ist das?

„E“ steht für effizient, energiesparend und vor allem für einfach. Die Architektenkammer in Bayern proklamiert den Gebäudetyp sehr. Auf Bundesebene gibt es zwar noch einige Unsicherheiten, aber die Erkenntnis ist gereift, dass wir es einfach übertrieben haben mit unserem Perfektionismus und unseren technischen Möglichkeiten.

Das heißt?

Zurück zum Wesentlichen und Langlebigen, weg von High-Tech hin zu sinnvollen Standards. Vor allem bezahlbarer Wohnraum ist ein Gebot unserer Zeit. Wir müssen weg von der schwäbischen Sicherheitsmentalität, weg von Gürtel- und Hosenträgern und wir brauchen eine gewisse Resilienz, was Temperaturschwankungen angeht – also einfach mal einen Pullover anziehen, wenn es kälter wird.

Sollen wir alle also künftig etwas bescheidener sein?

Ja, zurück zum Einfachen. Das bedeutet aber nicht eine drastische Komforteinbuße, sondern man muss sich fragen, was brauche ich wirklich? Wir übertreffen uns mit technischen Raffinessen aller Art, aber die können wir uns nicht mehr leisten.

Was wünschen Sie sich für die IBA?

Mit dem Jahr 2027 ist die Idee der IBA nicht zu Ende. Nicht nur, weil noch nicht alle Projekte fertiggestellt sein werden, sondern weil solche Initialzündungen, wie die IBAs landauf landab nach sich ziehen, nur dann nachhaltig sind, wenn sie weitergelebt werden. Deshalb plädiere ich für eine Post-IBA, für eine Verlängerung der Organisation und der In-halte, vor allem auch zur Dokumentation und Publikation der Ergebnisse. Die eigentliche Wirkung und Evaluation kommen ja erst nach der Fertigstellung. Das Ziel dieser IBA in der Metropolregion Stuttgart ist es, die Landeshauptstadt und ihr Umland als einen vernetzten, kommunizierenden Organismus weiterzuentwickeln.

Diese IBA heißt ja eigentlich IBA’27 StadtRegion Stuttgart…

Stadt und Land bieten unterschiedliche Attraktivitäten, die es jeweils zu stärken gilt. Dabei spielt der Umgang mit dem Baubestand hier wie dort eine zentrale Rolle. Und wir müssen der Zersiedelung vorbeugen und Brachflächen nutzen, bevor man der Natur weitere Flächen entreißt.

(Das Gespräch führte Eva Maria Schlosser.)

Zur Person

Wolfgang Riehle ist Diplom-Ingenieur, Freier Architekt BDA und Stadtplaner. 1953 in Reutlingen geboren, studierte er von 1973 bis 1979 an der Universität Stuttgart Architektur. Im Anschluss stieg er in das Büro seines Vaters Eugen Riehle ein, welches er 1991 übernahm und als Riehle + Assoziierte Architekten und Generalplaner“ zusammen mit drei Partnern weiterführte. Von 1998 bis 2014 war er Präsident der Archi-tektenkammer Baden-Württemberg sowie im Vorstand der Bundesarchitektenkammer.

2018 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Im gleichen Jahr übergab er den »Staffelstab« in seinem Architekturbüro an die dritte Generation, seinen Sohn Hannes Riehle und Maximilian Köth. An »Ruhestand« denkt Riehle aber nicht: Er ist im Vorstand des berufsständischen Versorgungswerks der Architektenkammer sowie der Denkmalstiftung Baden-Württemberg, ist Vorsitzender der IBA‘27 Friends und in mehreren Stiftungen tätig. Die Liste seiner Tätigkeiten als Preisrichter, Gestaltungsbeirat und Moderator, seiner Auszeichnungen sowie seiner Ehrenämter – auch im Sozialen, der Kunst und im Sport – war und ist immer noch lang.

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